Fr, 26. April 2024, 20:32    |  Login:  User Passwort    Anmelden    Passwort vergessen
ARBEITSPLATTFORM NEWS URTEILE GESETZE/VO KOMMENTARE SITEINFO/IMPRESSUM NEWSLETTER
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
§ 145 Bindung an den Antrag (Regelung seit 01.01.2002)
Wer einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat.
1. Einleitung

Der Antrag zum Abschluss eines Vertrages ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die in der Regel erst mit Zugang wirksam wird (§ 130 BGB).

2. Voraussetzungen

Jedenfalls muß ein vom Willen getragenes Verhalten vorliegen. Hierbei dürfte für ein Angebot (anders als bei einer Annahme) in nahezu 100% aller Fälle ein aktives Tun erforderlich sein. Ein Fall, bei dem dies auch ein bewusstes Unterlassen sein kann, fällt mir für ein Angebot bislang nicht ein (obwohl dies nach meiner Einschätzung in seltenen Ausnahmefällen möglich erscheint).

2.1 Gegenstand und Inhalt des Vertrages müssen im Antrag genau bestimmt angegeben worden sein (essentialia negotii).

Dazu gehört

a. Beide Vertragspartner

b. Eine Leistungsverpflichtungsbezeichnung samt Angabe, wer Schuldner und wer Gläubiger derselben sein soll

c. Gegebenenfalls weitere (beim gegenseitigen Vertrage also mind. die umgekehrte Leistungsverpflichtung)

Eine ausreichende Bestimmbarkeit liegt auch dann vor, wenn der Antragende die Regelung einzelner Vertragspunkte dem Antragsempfänger überlässt.


2.2 Der Antrag muss den Willen zu einer rechtlichen Bindung und zwar gegenüber dem Empfänger, objektiv zum Ausdruck bringen.

Dies ist der Unterschied zu (lediglich) einer Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes (invitatio ad offerendum). Hier wird eben noch kein endgültiger Bindungswille ausgedrückt.

Das heißt natürlich nicht, daß von einer "Invitatio ad offerendum" keine rechtlichen Wirkungen ausgehen! Hierdurch wird z.B. Einfluß auf ein Vertragsanbahnungsverhältnis genommen, bzw. begründet. Auch wettbewerbsrechtlich können sich Folgen ergeben, ebenso zur Auslegung des Inhalts eines späteren Vertrages (siehe zB. § 434 I S.3 BGB).

Kriterium für die Einstufung als noch nicht verbindlich ist, wenn aus obj. Empfängersicht bei genauer Würdigung davon auszugehen ist, daß der "Erklärende" nicht unbedingt mit jeder Person im Rahmen der real in Betracht kommenden Zeit in beliebigen Mengen abschließen will.

Es muß vielmehr für den obj. Empfänger klar sein, daß der Erklärende noch eine Überprüfung der potentiellen Vertragspartner/ deren Leistungsfähigkeit (so zB. auch Staud.-Bork 1996 Rn. 3 + 4) oder seiner eigenen Leistungsfähigkeit (Vorrat schon erschöpft? So zB. Pal.-Heinrichs 64. Rn. 2 - etwas anders klingt aber Rn. 4!) oder irgend etwas ähnliches vornehmen möchte.

2.2 Einzelfälle

Die Abgrenzung hat im Einzelfall durch Auslegung zu erfolgen (§ 133 BGB). Dabei ist der objektive Erklärungswert des Verhaltens maßgeblich.

a.) So stellen Anzeigen, Kataloge, Preislisten, Speisekarten, Schaufensterauslagen nach (nahezu?) einhelliger Meinung lediglich invitationes ad offerenda dar.

b.) Auch die im Fernsehen oder Internet mittels Werbung übermittelten Informationen stellen i.d.R. nur eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes dar. Ein Angebot liegt dann in der Bestellung des Kunden vor.

c.) Eine Präsentation bei einer Online-Auktion stellt hingegen nach (wohl) heute herschender Auffassung idR. ein Angebot dar (BGH, Urt.v. 03.11.2004 - VIII ZR 375/03; a.A. zB.: OLG Münster, Urt. v. 21.1.2000 - 4 O 424/99, Staud.-Bork 1996 Rn. 9 (noch zum Bildschirmtext), früher auch ich selbst).

3. Folgen des Angebots

Der Antrag ist für den Antragenden bindend und kann deshalb nach Zugang nicht einfach so widerrufen werden (ausn.: Fälle des § 355 BGB).

Die Bindung beginnt mit dem Zugang des Antrages.

Aus der Bindung entsteht (falls nicht schon vorher entstanden) ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis mit gegenseitigen Sorgfaltspflichten, deren Verletzung eine Haftungspflicht aus c.i.c./ §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB begründet.


4. Sonderfälle ohne persönlichen Kontakt

4.1 Automatenbenutzung, Zusendung unbestellter Ware

a.) In dem Aufstellen von Automaten ist wohl ein Angebot zu sehen, das mit dem (ordnungsgemäßen) Einwerfen von Münzen angenommen wird (Str., siehe Staud.-Bork 1996 Rn. 8 mwN; auch besteht ein Zugangsproblem der Annahme nur und sofort durch Geldeinwurf).

b.) Das gezielte Zusenden unbestellter Ware ist ebenfalls als Angebot zu sehen.

4.2 Selbstbedienungsladen

Die Auslagen in einem Selbstbedienungsladen ist nur eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes (so auch zB. Erman/Hefermehl § 145 Rn. 10; aA. Staud.-Bork 1996, Rn. 7 mwN.; unentschieden: BGHZ 66, 5, 55f.; unklar: BGH Urt.v.03.11.1993 - VIII ZR 106/93).

Die Vorlage der Ware an der Kasse ist dann das schuldrechtliche Angebot, das Kassieren die schuldrechtliche Annahme und das sachenrechtliche Angebot zum Eigentumswechsel sowie die Wiederaufnahme des Käufers die Annahme der Übereignung.

Da dieser Fall häufig, vielleicht sogar von der Mehrzahl der Autoren, anders beurteilt wird, folgende Argumentation:

Stufte man die Auslage bereits als Angebot ein, folgte daraus eine weitreichende Bindung des Ladenbesitzers, die nach m.A. (für den obj. Empfänger erkennbar) nicht gewollt sein kann.

So müsste auch an den Konkurrenten bzw. dessen Beauftragten ggf. den gesamten Restbestand eines Produktes, zB. eines Postens außergewöhnlich günstig beschaffter Ware, abgeben werden, wenn diese sagen: "Ich nehme Ihr Kaufangebot an!" Nun kann der obj. Empfänger nicht glauben, daß der Ladenbesitzer dies mit der Auslage anbieten will. Erkennbar will der Ladenbesitzer also eine Prüfung der Kunden (z.B.) hierzu an der Kasse vornehmen.

Ebenso könnte jemand an der Kasse sagen: "Ich nehme an. Ich bitte mir die Rechnung zu schicken." Tatsächlich könnte der Ladenbesitzer dann zwar die Ware nach § 320 zurückbehalten, müßte aber anschließend den umständlichen Weg des § 323 BGB gehen um zurückzutreten und die Ware (endlich) an jemand anderes verkaufen zu können.

Außerdem wird an der Kasse oberflächlich durch das Verkaufspersonal die Ordnungsgemäßheit der Ware geprüft, zB. auf ordnungsgemäße Verpackung, Verderb, etc.

Es ist nach meinem Empfinden völlig klar, daß ein Käufer/Kaufinteressent des letzten Stückes, dessen Überprüfung an der Kasse eine Mangelhaftigkeit bzw. eine völlige Unbrauchbarkeit ergibt (z.B. Schimmel auf Lebensmitteln, etc.), schlicht vom Personal eine Ablehnung erfährt.

Gäbe es nun zuvor ein Angebot durch Auslage und eine Annahme durch Beförderung auf zB. das Rollband, wäre der Verkäufer, wenn der Käufer den Mangel nicht zuvor selbst sah und irgendein Verschulden des Verkäufers/ seiner Erfüllungsgehilfen vorliegt (wie meistens), bereits schadensersatzpflichtig - und zwar auf das positive Interesse!

Auch dem Nichtjuristen ist, so meine ich, klar, daß an der Kasse eine solche Überprüfung erfolgt und der Verkäufer davon ausgeht, daß in einem solchen Falle keine weiteren Rechtsbeziehungen bestehen.

Das aber heißt, daß der Verkäufer sich erst nach Prüfung von Ware und Kaufinteressenten endgültig rechtlich verpflichten möchte oder man von einem Rücktrittsvorbehalt für den Ladenbesitzer konkludent ausgehen müsste.

Diesen Rücktrittsvorbehalt in den Inhalt einer etwaigen Angebotserklärung hineinzuinterpretieren halte ich aber für wesentlich argumentationsbedürftiger als den Rechtsbindungswillen zu verneinen.

Damit dürfte (von Einzelfällen vielleicht sogar abgesehen) in der Regel bei Selbstbedienung mit einem Kassendurchgang vor Verzehr/ Verbrauch lediglich eine Invitatio ad offerendum des Ladenbesitzers vorliegen.

Anders würde ich den Fall beurteilen, wenn zB. in einem Selbstbedienungsrestaurant ohne Kontakt mit Personal ein Verzehr stattfindet und erst nachher zu zahlen ist.

Anders wäre/ ist der Fall auch immer dann, wenn ein persönlicher Kontakt gar nicht vorgesehen ist sondern rein technisch gezahlt wird. Dann kann natürlich keine Prüfung durch einen entscheidenden Menschen mehr stattfinden. Deshalb ist der Warenautomatenfall ganz oben idR. als Angebot zu klassifizieren.

4.2 Massenverkehr/ Daseinsvorsorge (Straßenbahn, Parkplätze in entgeltpflichtigem Bereich, etc.)

Hinsichtlich verschiedener Massenverträge wie insb. Straßenbahnfahrten und Parkplatzbenutzung in einem gebührenpflichtigen Bereich, haben weite Teile der Juristenwelt früher mit der Lehre vom faktischen Vertrag gearbeitet.

Das ist heute obsolet (siehe Pal.-Heinrichs 65. Aufl. vor § 145, Rn. 25ff; Staudinger-Bork, 1996 Vorbem. §§ 145 ff., mwN.), weil niemand von Relevanz mehr dieser Auffassung anzuhängen scheint (siehe insb. Staudinger aaO.).

Heute geht man in diesen Fällen von richtigen Verträgen durch sozialtypisches Verhalten aus.


5. Prozessuales
Wer sich auf das Vorliegen eines Antrages oder auf den Ausschluss der Bindungswirkung beruft, hat die Voraussetzungen zu beweisen.


Für Hinweise und Anregungen sind wir immer dankbar. Bei Interesse ist qualifizierten Juristen die Aufnahme in die Kommentatoren-Liste möglich.

Urteile nach 02.01.2005, also nach Abschluss dieser Kommentierung